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Etappensieg im Kampf gegen Lohndumping

Eine Anfang September durchgeführte Kontrolle der Finanzpolizei bei einem Marchfelder Gemüsebetrieb brachte eine schwerwiegende Ausbeutung von Erntearbeitern ans Licht.


Bereits zum zweiten Mal im Jahr 2020 hat es ein großer Marchfelder Gemüsebaubetrieb in die Schlagzeilen geschafft. Leider nicht in die positiven – in beiden Fällen geht es um ähnliche Praktiken von Lohndumping.
Das Grundmuster ist dasselbe: Menschen aus Osteuropa möchten in Österreich zumindest EUR 1.200,-, wenn möglich EUR 1.500,- netto im Monat verdienen. Eine realistische Einschätzung, entspricht dies doch in etwa dem Mindestlohn für Hilfskräfte. Den sollte man allerdings für 40 Wochenstunden erhalten. Die Betroffenen kalkulieren jedoch oft nicht nach österreichischen Rechtsvorschriften und österreichischen Lebenserhaltungskosten, sondern vergleichen mit den Verdienstmöglichkeiten in der Heimat. Da sind EUR 1.200, - bis 1.500, - im Monat viel Geld. Deshalb sind manche auch bereit, für ein derartiges Einkommen mehr als 40 Wochenstunden zu arbeiten – in den Fällen, die heuer die Öffentlichkeit schockierten, zum Teil weit mehr. Offenbar gibt es Hilfskräfte mit derartigem Einkommen, für die sogar eine 80 Stundenwoche in der Erntesaison den Regelfall darstellt. Breite Informationsangebote für Betroffene und die Zusammenarbeit von Interessenvertretungen und Behörden zeigten zuletzt aber Wirkung.

Lohndumping bestätigte sich
Eine gut vorbereitete Aktion der Finanzpolizei an einem Sonntagvormittag erwischte einen Großlandwirt offenbar auf dem falschen Fuß. Die Hinweise über Stundenlöhne von EUR 4,20 und EUR 4,40 (die Kollektivverträge sehen zwischen EUR 8,- und 9 vor) bestätigten sich. Lohndumpingpraktiken, die fast exakt dementsprechen, was mit großem medialen Echo im Juni auch einer anderen Landwirtin aus dem Marchfeld vorgeworfen wurde, konnten gut dokumentiert werden. Unter den Marchfelder Gemüsebauern herrscht nun Unruhe. Zum einem sind viele froh, dass zwei  „schwarze Schafe“ aufgeflogen sind. Eine Konkurrenz, die sich gut ein Drittel der Lohnkosten bei arbeitsintensiven Kulturen erspart, stellt schließlich auch den Zusammenhalt im Bauernstand auf eine harte Probe. Laut aussprechen wollen dies allerdings die wenigsten Landwirte. Zum anderen muss man natürlich davon ausgehen, dass derartige Löhne zwar nicht der Regelfall sind, die zwei ertappten Produzenten aber sicher nicht die einzigen sein werden. Solche Betriebe werden gut beraten sein, diese Praktiken schnellstmöglich abzustellen, wollen sie nicht die nächsten sein, die in existenzielle Turbulenzen geraten.

Gestiegenes öffentliches Interesse
Etwas Positives haben die aufsehenerregenden Fälle jedenfalls bewirkt: Noch nie war das öffentliche Interesse daran so groß, wie das österreichische Gemüse, welches im Supermarktregal liegt, produziert wird. Das gilt für die Medien, aber auch für die Politik. „Diese schwarzen Schafe beuten Arbeiter aus, schädigen den Ruf aller redlichen Unternehmer und bereichern sich auf Kosten der anständigen Steuerzahler. Ich habe null Toleranz für Lohndumping und Sozialbetrug und wir werden hier weiter hart durchgreifen“, erklärte Finanzminister Gernot Blümel in einer Aussendung des Finanzministeriums. Laut Pressemeldung im Anschluss an die Kontrolle der Finanzpolizei wurden mehrere Verfahren gegen den Landwirt eingeleitet. Der Strafrahmen für Sozial-betrug beträgt bis zu sieben Jahre Haft.
In der NÖ Landarbeiterkammer registriert man zufrieden, dass jahrelange Bemühungen Früchte getragen haben. „Bemerkenswert war, dass selbst in den beiden nun durch krasses Lohndumping bekanntgewordenen Betrieben die Beschäftigten für 40 Stunden zum KV-Mindestlohn gemeldet, also mit einer Beitragsgrundlage von zumindest EUR 1.500,- versichert waren“, betonte NÖ LAK-Präsident Andreas Freistetter. 
„Gemeinsam mit der Gesundheitskasse und Finanzpolizei haben wir seit Jahren signalisiert, dass Teilzeitbeschäftigung bei ausländischen Erntehelfern unglaubwürdig ist und zwangsläufig Kontrollen nach sich zieht. Deshalb traut sich das heute kaum noch ein Betrieb“, weiß Freistetter und hofft: „Wenn nun mehrfach größere Betriebe, die ausländische Erntearbeiter korrekt anmelden, ihnen tatsächlich aber nur einen viel geringeren Stundenlohn auszahlen, aufgeflogen sind, dann wird das auch abschreckend für andere wirken. Die Finanzpolizei wird ihre Kontrollen auf jeden Fall mit Beginn der Spargelernte im Frühjahr 2021 fortsetzen.“ Aus aktuellen Gründen hat sich die NÖ LAK entschlossen, neben den bewährten Verteilaktionen in Betrieben und den Informationen auf der LAK-Website auch die Grüne Welt zu nützen, um Erntearbeiter bzw. Saisonarbeitskräfte in ihrer Landessprache zu informieren, dass die NÖ LAK bei arbeitsrechtlichen Fragen kostenlos als Ansprechpartner zur Verfügung steht. „Viele Erntearbeiter kennen nur die Gewerkschaft, aber keine Kammern, weil es solche in osteuropäischen Ländern nicht gibt“, benennt Kammeramtsdirektor Walter Medosch das Problem.
Um die Sprachbarriere zu überwinden, können Anfragen ab sofort auch in der jeweiligen Landessprache per E-Mail an die neu eingerichtete Adresse erntehelfer@lak-noe.at gerichtet werden.