Zum Hauptinhalt springen

Sozialbetrug: Gemüsebetrieb geschlossen!

Nachdem ein großer Biogemüsebetrieb in Niederösterreich sogar noch während des Konkursverfahrens Manipulationen bei der Lohnverrechnung vornahm, wurde der Betrieb vom Masseverwalter sofort geschlossen.


Für Aufsehen sorgt derzeit in Niederösterreich die größte Betriebsschließung im landwirtschaftlichen Bereich aufgrund einer Insolvenz seit Jahrzehnten. Wäre dies für sich alleine schon spektakulär genug, so bergen die Umstände, wie es dazu gekommen ist, besondere Brisanz.
Einer der größten Bio-Landwirte  und Zulieferer namhafter Lebensmittelketten musste im Spätsommer 2016 Insolvenz anmelden. Hauptverantwortlich waren erhebliche Nachzahlungen beim Krankenversicherungsträger aufgrund nicht korrekter Lohnabrechnungen. Der vom Insolvenzgericht bestellte Masseverwalter installierte eine professionelle Lohnverrechnung und führte den Betrieb in beinahe vollem Umfang – wie er dachte – rentabel weiter.
Der Knalleffekt kam fünf Monate später: Der NÖ Landarbeiterkammer wurden Unterlagen übergeben, die ein ausgeklügeltes System einer doppelten Lohnverrechnung transparent machten, das selbst im Konkursverfahren hinter dem Rücken des Masseverwalters weitergeführt wurde. Die Urkunden wurden umgehend dem Masseverwalter übergeben, dem danach keine andere Wahl blieb, als den Betrieb sofort zu schließen. Dokumentierte Stundenlöhne von zum Teil lediglich EUR 4,50 pro Arbeitsstunde sind nun ein Fall nicht mehr bloß für das Insolvenzgericht, sondern auch für das Strafgericht und die Verwaltungsbehörden, die das Lohn- und Sozialdumpingbekämpfungsgesetz vollziehen. 

Arbeitnehmer ausgebeutet
Am Ende stehen nur Verlierer: Ein zerschlagener ehemaliger Vorzeigebetrieb, ein wirtschaftlich ruinierter Groß-Landwirt, der sich noch mit diversen Strafverfahren herumschlagen wird müssen, und ArbeitnehmerInnen, die sich aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes jahrelang ausbeuten ließen, um jetzt trotzdem ohne Arbeitsplatz dazustehen.
Frau N. war 20 Jahre lang im Betrieb beschäftigt. Sie hat einen etwas höheren Stundenlohn erhalten, welcher ihr bei durchschnittlich weit über 200 Arbeitsstunden im Monat ein auf den ersten Blick akzeptables Einkommen beschert hat. Dass ihre Anmeldung der tatsächlichen Beschäftigung auch nicht annähernd entsprochen hat, war ihr nicht bewusst. Nun erhält sie ein zu geringes Arbeitslosengeld und muss sich auf eine Kleinstpension einstellen. Schadensersatzansprüche sind bloß theoretischer Natur, weil sie mangels Arbeitszeitdokumentation kaum durchzusetzen wären und einen zahlungsunfähigen Dienstgeber träfen.
Die NÖ LAK unterstützt Betroffene bei der Geltendmachung ihrer Ansprüche. Das AMS Niederösterreich hat zugesagt, auch Personen ohne Anspruch auf Arbeitslosengeld in Österreich, die Opfer von Sozialbetrug und dann von unverschuldetem Arbeitsplatzverlust geworden sind, bei der Jobsuche zu unterstützen.

Info zum Titelbild:
@ fotolia.com / Brilliant eye