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Arbeitslosengeldbezug für Ausländer: Neue Praxis

Haben ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld in Österreich? Zur umstrittenen Rechtslage hat der Verwaltungsgerichtshof in einer neuen Entscheidung Stellung bezogen.

Wer vor der Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes für die östlichen Nachbarstaaten 2011 bereits freien Zugang zum Arbeitsmarkt hatte, konnte in aller Regel problemlos Arbeitslosengeld in Österreich beziehen.
Mit dem freien Zugang zum Arbeitsmarkt für den größten Teil der ausländischen Beschäftigten rückte die Frage, in welchem Staat ein zuvor in Österreich beschäftigter Ausländer Anspruch auf Arbeitslosengeld hat, in einen ganz anderen Fokus der öffentlichen Betrachtung. Die zuvor liberale Handhabung kam mehr und mehr unter Druck, die Praxis schlug zuletzt ins Gegenteil um.
Die NÖ Landarbeiterkammer vertrat heuer bereits einen Kollegen, dem nach über 400 Beitragsmonaten in Österreich, zuletzt 19 Jahren durchgehender Beschäftigung auf Vollzeitbasis und jahrzehntelangem Hauptwohnsitz in Österreich das Arbeitslosengeld vom Arbeitsmarktservice (AMS) verweigert wurde, weil seine Ehegattin in Slowenien wohnhaft sei!
In einer neuen Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof den dringend notwendigen Schwenk in die Gegenrichtung vollzogen. Zusammengefasst: Wer echter Grenzgänger ist, wird auch weiterhin in Österreich kein Arbeitslosengeld erhalten. Als echter Grenzgänger gilt, wer täglich oder zumindest regelmäßig einmal wöchentlich in seinen Wohnsitzstaat zurückkehrt. 

Was ist ein „unechter Grenzgänger”?
Ist dies nicht der Fall, handelt es sich um einen „unechten Grenzgänger”. Bei diesem kann auch in Zukunft geprüft werden, wo nach Ende der Beschäftigung der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liegt. Im Falle einer unbefristeten Beschäftigung, die über längere Zeit angedauert hat, längerfristigem Hauptwohnsitz in Österreich ohne hohe Rückkehrfrequenz sowie weiteren Indizien für eine Lebensführung in Österreich (z.B. ein österreichisches Kraftfahrzeugkennzeichen oder ein österreichisches Mobiltelefon), wird künftig der Anspruch auf Arbeitslosengeld jedenfalls zu bejahen sein. Bei Saisonarbeitern ist derzeit noch nicht klar, wie streng die künftige Praxis des AMS ausfallen wird. Wenn sie nicht wöchentlich nach Hause fahren (somit unechte Grenzgänger sind) und diearbeitsfreie Zeit tatsächlich an einem gemeldeten Hauptwohnsitz in Österreich verbringen, bestehen gute Chancen auf die Zuerkennung von Arbeitslosengeld in Niederösterreich.
Die NÖ LAK hofft, dass damit ein vernünftiger Mittelweg zwischen dem berechtigten öffentlichen Anliegen der Verhinderung des Abflusses von Leistungen der Arbeitslosenversicherung ins Ausland und berechtigten Ansprüchen ausländischer Beschäftigter eingeschlagen wurde. „Der Schutz des österreichischen Systems der sozialen Sicherheit ist uns sehr wichtig. Natürlich muss aber auch eine faire Behandlung ausländischer Arbeitnehmer gewährleistet sein, die in Österreich ihre Beiträge zu diesem System geleistet haben”, betont NÖ LAK-Präsident Andreas Freistetter.

Foto: fotolia.com / butch